Neulich fiel mir der vor Kurzem in der „Zeit“ erschienene
Artikel „Das Verteufelte Geschlecht“, von Christoph Kucklick ins Auge. Aus
folgendem Studieren und Reflektieren der Aussagen besagten Essays ergab sich
Zustimmung, aber auch Unverständnis. Kucklick nennt einige, in meinen Augen
durchaus richtige und stimmige Dinge, besonders sein abschließendes Fazit, wir
sollten Geschlechter nicht mehr mit Etiketten versehen gefällt mir sehr. Seine
Hauptthese allerdings, Männlichkeit diene als „Kurzformel für Missstände aller
Art“, konnte ich im Grunde gar nicht nachvollziehen. Ich begann sogar zu
zweifeln, dass der Autor von derselben Gesellschaft spricht, die auch ich
tagtäglich erlebe.
Kucklick nennt zunächst einige Stimmen, die Männlichkeit als
Ursache der Wirtschaftskrise darstellen und bemüht sich diese zu wiederlegen,
da ihm nach, eine von Frauen geführte Wirtschaft ebenfalls in die Krise geraten
wäre. Ich denke auch nicht, dass Frauen es besser gemacht hätte als Männer,
jedoch können wir das nicht wissen, denn Männer dominieren nun einmal in
Wirtschaft und Politik. Frauen als Allheilmittel darzustellen ist sicherlich
nicht richtig, aber wie wäre es denn, wenn wir aufhörten sie wegen ihrer
Fähigkeit schwanger zu werden nicht in Führungspositionen zu lassen und einfach
mal ausprobieren, ob eine ebenmäßige Balance von Männlichkeit und Weiblichkeit
sich nicht vielleicht positiv auf die Wirtschaft auswirkt?
Trotz der stichhaltigen Argumentationsweise Kucklicks, geht
er, so denke ich, an manchen Stellen zu weit. So zum Beispiel beim Anführen des
Falles Dominique Strauss-Kahn, der beschuldigt wurde eine Hotelangestellte
vergewaltigt zu haben. Der Autor scheint hier nicht nachvollziehen zu können
wie zunächst davon ausgegangen werden konnte, Strauss-Kahn habe das Mädchen
tatsächlich vergewaltigt und nicht, dass alles eine Lüge sei. Ich hingegen
begrüße diese Vorgehensweise und halte sie sogar für notwendig, denn eine
Vergewaltigung ist wohl mit das Grässlichste,
was man einem Mädchen antun kann und wenn sie nun Scham und Schande überwindet
und zur Polizei geht, ist das Schlimmste was ihr passieren kann, dass ihr nicht
geglaubt wird. Insofern finde ich es durchaus vertretbar, im ersten Moment von
der Schuld des Angeklagten auszugehen und das eventuelle Leiden seiner Reputation
in Kauf zu nehmen. Und außerdem ist im Fall Strauss-Kahn seine Unschuld nicht
bewiesen worden. Die Einstellung des Verfahrens wegen Unglaubwürdigkeit des
Mädchens ist kein Freispruch für ihn!
Es mag an meinem Unverständnis liegen, aber streckenweise
klingt Kucklicks Essay für mich zickig und eingeschnappt: „»Schwarze sind
Tiere. « Oh nein – aber wenn es sich um schwarze Männer handelt, dann ist es
vielleicht doch sagbar.“ Auf die Frage „Ach das ist jetzt aber maßlos
übertrieben?“ würde ich laut „JA!“ schreien. Ich kann beim besten Willen nicht
sehen, wo genau von 1800 bis heute man ein negatives Männerbild entdecken kann.
Vor allem nicht verglichen zur Frau, die 1919 erst das Wahlrecht erlangte und
der bis heute nicht unbedingt die gleichen Chancen wie dem Mann zugestanden
werden. Das Frauenbild wurde, so Kucklick „inzwischen einer gründlichen
Renovierung unterzogen“ jedoch sei „uns ähnliche Aufhellung des Männerbildes
misslungen“. Das kann durchaus sein, weil es auch nicht nötig war.
Viele der Quellen, die Kucklick heranzieht, um den Beginn
der Verteufelung des Männlichen zu untermauern, sind unglaublich pauschal und
haben doch auch nichts an der Dominanz und Überlegenheit des Mannes gegenüber
der Frau in der Geschichte geändert. Und das Kommando „Frauen und Kinder
zuerst“ stützt sich wohl eher darauf, Schwächeren die Hilfe zu geben, die sie
brauchen, als sie Männern zu verwehren.
Weiterhin führt Kucklick Homosexualität bei Männern an und
stellt sie als scheinbar „unerträgliche Bedrohung“ wegen der geradezu doppelten
teuflischen Männlichkeit dar. Als Bedrohung werden Schwule tatsächlich
wahrgenommen. Aber meinem Empfinden nach eher von den Männern selbst, und zwar
als Bedrohung für die Männlichkeit, denn nichts scheint für sie schlimmer als
unmännlich zu erscheinen.
Außerdem spricht Kucklick verschiedene Klischees über
angeblich geschlechtsspezifische Fähigkeiten an, unter anderem auch die Mathematischen.
Dieser Abschnitt gefällt mir sehr, habe mich doch über alle Maße geärgert,
Mathe nicht als Prüfungsfach gewählt zu haben, zumal ich in der Oberstufe
ausschließlich 14 und 15 Punkte in diesem Fach bekam. Ich habe keine Ahnung,
warum ich Mathe nicht gewählt habe, denn ich war noch nie schlecht in Mathe, im
Gegenteil. Zunehmend denke ich, es könnte daran liegen, dass Mädchen vermittelt
wird, sie können es einfach nicht. Der Grund ist, ich habe mich nicht getraut,
wobei sehr viele Jungen (vielleicht auch Mädchen) Mathe nehmen, die hier nicht
so gut sind wie ich. Darum stimme ich Klucklick zu, wenn er sagt, es sei sehr
wichtig, endlich von blöden Rollenklischees abzusehen und jedem seine
Fähigkeiten zuzugestehen, egal ob männlich oder weiblich, denn, so Klucklick, „Geschlechterverhalten
entsteht nicht durch Hormone, es entsteht durch Worte.“ Wie Wahr.
Was ich jedoch stark anzweifeln möchte ist, dass Männer in
der Justiz, in Sachen Strafvollzug, gegenüber Frauen benachteiligt werden. Laut
der Justizvollzugsanstalt Vechta sitzen dort mehr Männer als Frauen, was aber
einfach daran liegt, dass mehr Männer straffällig werden. Die Situation eines
Ehestreits, den Kucklick skizziert, bei dem der Mann von der Polizei mitgenommen
wird, finde ich, wie den Fall Dominique Strauss-Kahn, voll und ganz
nachvollziehbar, da der Mann der Frau nun einmal körperlich überlegen ist und
ihr somit in einer gewaltsamen Auseinandersetzung mehr Schaden zufügen kann als
sie ihm. Dass „»Männer in einem nicht unerheblichen Maße« Opfer häuslicher
Gewalt sind […]«“ kann durchaus sein, allerdings denke ich wohl nicht, dass die
Zahl der Männer, die von ihren Frauen geschlagen werden, an die der Gewalt von
männlicher Seite gegenüber ihrer Frauen heranreicht.
Ein weiterer Punkt in dem ich Kucklick widerspreche, ist,
dass Jungen „ein deutlich engeres geschlechtsspezifisches Geschlechtskorsett“
angelegt wird als Mädchen. An beide werden bestimmte Erwartungen gestellt.
Fällt ein Junge hin, wird von ihm erwartet aufzustehen und weiterzulaufen.
Fällt ein Mädchen hin, kommt Mami sofort angelaufen und das Mädchen hat besser
noch ein rosa Kleidchen an und fängt an zu weinen. Das Bild eines Mädchens als „Spielplatzrabauken“
wie Kucklick es als erwünscht darstellt, ist da eher skandalös, sollten Mädchen
sich doch in Zurückhaltung und Bescheidenheit üben.
Fluchen meine Brüder wird darüber hinweggesehen, fluche ich,
bekomme ich Rügen von allen Seiten. Ähnlich verhält es sich mit Rülpsen. Darum werden
kleine Mädchen auch in süße aber völlig unpraktische Kleidchen gesteckt, mit
drei kriegen sie Ohrringe und die Haare müssen natürlich lang sein, so können
sie gar nicht erst zu „Spielplatzrabauken" avancieren.
Abschließend möchte ich Kucklick noch einmal unterstützen,
nämlich bei der Forderung einer Frauenquote, die in meinen Augen sehr viel
erreichen könnte. Zum Beispiel könnte sie helfen, gegen den demographischen
Wandel vorzugehen. Wenn Frauen sich nämlich sicher sein könnten, dass sie
Mutter sein können ohne ihr Karriere zu opfern, gäbe es vielleicht auch mehr
Kinder in Familien mit einem gehobenen Bildungsstandard.
Bis wir dort sind werde ich Kucklicks Rat befolgen und über
unsinnige Geschlechterklischees einfach lachen.
http://www.zeit.de/2012/16/DOS-Maenner/seite-1